DOLBY ATMOS – der nächste Level im Kino

So faszinierend ist Dolbys neues Soundsystem

Dolby Atmos Mid

Evolution ist ein essentieller Bestandteil unseres Hobbys.
Und alle paar Jahre macht auch die eine oder andere Surround-Sound-Technologie einen Sprung nach vorne.
Auf Dolby Surround und Dolby Digital/DTS folgten die un-, bzw. verlustfrei komprimierten Tonformate Dolby True HD und DTS-HD, auf diskretes 2.0 folgten 5.1, 6.1 und 7.1.

Dolby Atmos stellt nun die nächste Evolutionsstufe dar – wenn auch (vorerst?) nur im Kino.
Fragen, was man am Sound allerdings noch großartig verbessern will, ob allein noch mehr Lautsprecher wirklich der große Wurf sind und ob eine Dolby Atmos-Abmischung irgendeine Auswirkung auf die heimübliche 5.1- oder 7.1-Wiedergabe hat, sind allerdings mehr als berechtigt.
Ich haben mich eingehend mit dem neuen Tonsystem beschäftigt, Entwickler und Tonabmischer zu Wort kommen lassen, sowie die ersten auf Dolby Atmos-Abmischungen basierenden Heimtonspuren in Augen- oder besser Ohrenschein genommen – mit wahrlich über-raschenden und beeindruckenden Ergebnissen.

Skalierbar in jeder Beziehung

Dolby Atmos steht nicht einfach nur für „mehr Lautsprecher“ oder „Effekte nun auch von oben“, vielmehr revolutioniert das System sowohl die Art und Weise, wie Filmton und Effekte fortan abgemischt werden, als auch die Wiedergabequalität – und zwar prinzipiell unabhängig vom verwendeten Wiedergabe-Setup, auf sämtlichen Konfigurationen sind Verbesserungen wahrnehmbar.
Man kann ohne Weiteres behaupten, dass Dolby Atmos für Kinosound die größte Errungenschaft seit Einführung von Dolby Digital 5.1 im Jahre 1992 darstellt. Doch eines nach dem anderen:

Wenden wir uns zunächst der Funktionsweise von Dolby Atmos zu.
Bei bisherigen Kanalkonfigurationen hatte der Tontechniker in seinem Abmischstudio die „Zielkonfiguration“ des Lautsprechersetups (also 5.1, 6.1 oder 7.1) installiert und musste quasi für jedes Klanger-eignis (Musik, jede einzelne Stimme, jeder einzelne Soundeffekt, usw.) nahezu sämtliche Parameter manuell und quasi „nach Gehör“ festlegen: Lautstärke, Laufzeitverzögerung, Kanalzugehörigkeit, Hallanteile auf den anderen Kanälen, usw.
Dies machte die Abmischung zum einen zeitaufwändiger, zum anderen konnte man lediglich versuchen, der Realität klanglich möglichst nahe zu kommen. Man musste quasi per Trial&Error probieren, mit welchen Settings sich z.B. ein von vorne links nach hinten rechts fliegender Düsenjet am realistischsten anhört.
Der Aufwand potenzierte sich mit zunehmeder Kanal- und Effektanzahl. Und letztendlich ließ die Effektpräzision, vor allem im Kino, wo die Lautsprecher in Gruppen zusammengefasst waren, selbst bei 7.1 am Ende immer noch zu wünschen übrig.

5.1MidGruppierung der Surround-Lautsprecher beim 5.1-Setup im Kino

Dolby Atmos verfolgt hier nun einen völlig anderen Ansatz und führt zwei wesentliche Neuerungen ein.

Die erste davon findet man allerdings nicht im Kinosaal, sondern im Abmischstudio. Die Zauberformel lautet: Schallereignisse statt Kanalbindung, wodurch das manuelle und individuelle „Herumfeilen“ an räumlichen Effekten der Vergangenheit angehört.
Die Tontechniker haben fortan als Hilfsmittel nunmehr einen Monitor vor sich, auf dem sie jedes einzelne Schallereignis frei im dreidimensionalen Raum platzieren und verschieben können.


D
as Objektplatzierungs-Tool von Dolby Atmos

Die Zuweisung an die jeweiligen Lautsprecher, sowie deren Pegelgewichtung, Laufzeitverzögerung, usw., übernimmt hierbei komplett und vollautomatisch die Software.
Insgesamt können auf diese Weise (aktuell) gleichzeitig bis zu 128 unabhängige Schallereignisse in einer Tonspur definiert werden.

Um zusätzlich die Effektpräzision und Räumlichkeit zu verbessern, setzt man desweiteren im Kinosaal auf mehr und einzeln adressierbare Lautsprecher – wenn nötig.
Ein weiterer Vorteil, den die schallereignisgebundene (oder auch „objektgebundene“) Tonabmischung mit sich bringt, liegt nämlich in der nahezu beliebigen Skalierbarkeit des Lautsprechersetups. Das System Dolby Atmos ist aktuell bis auf maximal 47.3 Speaker ausbaubar, die maximale Anzahl an Lautsprechern ist jedoch für die Zukunft rein theoretisch unbegrenzt, da die Skalierbarkeit durch die Software hier keinerlei Grenzen setzt.
Die Maximalkonfiguration enthält dann auch Deckenlautsprecher, mit denen sich Schallereignisse von oben realisieren lassen, womit der Sound nun endlich Einzug in die dritte Dimension erhält.
Zudem ist ab sofort jeder Lautsprecher einzeln adressierbar, die Zusammenfassung in Gruppen gibt es bei Dolby Atmos nicht mehr.

Inspiration Iosono

Tonfreaks werden hier zurecht an das, vom Fraunhofer Institut entwickelte, Soundsystem Iosono erinnert, das dem physikalischen Prinzip der Wellenfeldsysthese folgt und aus einem (oder auch mehreren vertikal übereinanderliegenden) lückenlosen Lautsprecherring(en) basiert, der/die den gesamten Kinosaal umgeben.
Dieses, 2004 vorgestellte, System, war das erste mit einzeln adressierbaren Lautsprechern und Objektbasierter Klangabmischung und darf daher als technisches Vorbild für Dolby Atmos betrachtet werden, auch wenn sich letzteres nicht des Prinzips der Wellenfeldsynthese bedient, welches sich, nicht zuletzt aufgrund des nötigen hohen Materialaufwandes (es werden für einen durchschnittlichen Kinosaal je nach Ausbaustufe bis zu mehreren hundert Lautsprecherboxen benötigt!) und der damit verbundenen Kosten, bis heute nicht auf breiter Front durchsetzen konnte – zumal sich der Markt für Kinosound-Systeme traditionell mehr oder weniger fest in der Hand amerikanischer, hollywoodnaher Konzerne (Dolby, DTS, THX) befindet.
Im Vergleich zu Iosono mutet Dolby Atmos, mit seinen aktuell bis zu 47.3 Lautsprechern, zudem geradezu erschwinglich an, zumal für die meisten Kinos nicht einmal die volle Ausbaustufe notwendig ist, um beste Ergebnisse zu erzielen. Vielmehr dient die Skalierbarkeit hier der optimalen Anpassung an verschieden große Kinosääle. Und hieran orientiert sich auch die empfohlene Anzahl von Deckenlautsprechern: Besitzt das Kino an den beiden Flanken z.B. bereits jeweils 5 Surroundlautsprecher, so empfiehlt Dolby die Installation von 2x 5 Deckenlautsprechern. Bei 3 seitlichen Surrounds werden, 2x 3 Deckenlautsprecher empfohlen, usw.


Beispiel für eine Dolby Atmos Lautsprecherkonfiguration mit einzeln 
adressierbaren Lautsprechern

Die Anpassung der abgemischten Schallereignisse an die im Saal vorhandene Kanalkonfiguration erfolgt vollautomatisch und in Echtzeit durch den Atmos-Decoder. So wird eine optimale klangliche Anpassung an die räumlichen Gegebenheiten des Kinosaals sichergestellt, ohne dass der Betreiber Gefahr läuft, das System zu „überfrachten“ oder Geld in Komponenten zu invesiteren, deren klangliche Vorteile vor Ort sich in Grenzen halten würden.

Dolby Atmos stellt somit die ideale Balance aus Kosteneffizienz und Klangqualität dar, wodurch sich das System schneller und breiter durchsetzen dürfte also Iosono – von der einheitlichen Unterstützung durch Hollywood ganz zu schweigen.

Und zu Hause?

Aufgrund der, im Vergleich zum Kino, i.d.R. deutlich geringeren Raumgrößen zu Hause ist es allerdings eher unwahrscheinlich, dass das System aus den Lichtspielhäusern 1:1 den Weg ins Heimkino finden wird. Eine abgespeckte Version, die zumindest Deckenlautsprecher ermöglicht, könnten wir uns aber vorstellen.

Kann Dolby Atmos dem geneigten Heimkinofreund deshalb erst einmal egal sein? Ganz im Gegenteil:
Zum Ersten rechtfertigt das wahrlich spektakulär klingende System endlich auch einmal wieder den Gang ins Kino, zum Anderen – und hier wird es richtig interessant – bringt Dolby Atmos, bedingt durch die Ojektbezogene Abmischung,  auch auf 5.1- oder (besonders) auf 7.1-Lautsprechersetups nicht zu überhörende klangliche Vorteile, sowohl im Kino, wie auch zu Hause!
Ich habe mir in meinem „Screening Room“ die englischen 7.1-Tonspuren der „Oblivion“, „Star Trek Into Darkness“ und „Life of Pi“ Blu-ray Discs auf einem leistungsstarken, perfekt kalibrierten THX-Ultra 7.2 Setup mit Audyssey MultEQ XT näher angehört und direkt einige deutliche Unterschiede zu „normalen“, Lautsprecherbezogenen Tonabmischungen ausmachen können:
Der gesamte Sound klingt deutlich feiner aufgelöst, Objekte bewegen sich viel losgelöster von den Lautsprechern durch den Raum.
Panning-Effekte von Speaker zu Speaker wirken ungleich realistischer als bei „konventionellen“ 5.1- oder 7.1-Abmischungen. Ebenso sind nun mehr Effekte gleichzeitig und voneinander unabhängiger wahrnehmbar und dies ebenfalls mit höherer Präzision.
Fast meint man, das eigene Soundsystem habe ein, wie auch immer geartetes, Atmos-Upgrade erhalten (wenn auch natürlich ohne Deckenlautsprecher, was der Faszination aber keinerlei Abbruch tut).


Die Skalierbarkeit von Dolby Atmos veranschaulicht

Und es kommt noch besser, denn die Skalierbarkeit von Dolby Atmos funktioniert nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben, will heißen:
Wird ein Soundtrack objektbezogen für Dolby Atmos erstellt und am Ende auf 2.0 Stereo herunterkonvertiert, so enthält diese Tonspur nach wie vor einen Großteil der Informationen zur Effektplatzierung auf „größeren“ Systemen – Informationen, die z.B. von Systemen wie Dolby ProLogic II(x/z) ausgewertet werden können.
Am Beispiel der beiden folgenden (für YouTube auf 2.0 heruntergerechneten) Dolby Atmos-Trailer kann man dies sehr gut auch zu Hause auf seinem 5.1- oder 7.1-System testen:

Dolby Atmos Trailer „Amaze“

Dolby Atmos Trailer „Leaf“

Es ist wahrlich beeindruckend, wie präzise Schallereignisse auf den Surroundkanälen abgebildet werden, obwohl hier kein diskretes 5.1 oder 7.1 vorliegt.

Unterm Strich ist Dolby mit Atmos ein großer Wurf gelungen.
Und selbst wenn sich die Anzahl an Atmos-Kinos im deutschsprachigen Raum derzeit noch in Grenzen hält, so profitiert man doch sogar zu Hause auf seinem bestehenden Setup bereits von vielen klanglichen Vorzügen des neuen Systems.
Ich empfehle dennoch mindestens einen Kinobesuch in einem entsprechend ausgerüsteten Lichtspielhaus.

Insider-Analyse

Vorteile:
+ exzellente Effektortung, auch auf älterer Hardware
+ eine Abmischung für sämtliche Speaker-Setups
+ endlich auch Effekte von oben möglich
+ 100% abwärtskompatibel
+ vereinfachte und verbesserte Abmischung

Nachteile:
– höchstens die Kosten für eventuelle neue Hardware

 
Dolby Atmos Vostellung von Dolby (Video auf Englisch)

 

Eine aktuelle Liste von Atmos-Kinos findet sich auf Dolbys Website, genauer gesagt hier (Website auf Englisch):
http://www.dolby.com/us/en/consumer/content/movie/theater/find-a-cinema.html

Die bisher in Dolby Atmos abgemischten Filme sind hier aufgeführt (Website auf Englisch):
http://www.dolby.com/us/en/consumer/content/movie/release/dolby-atmos-movies.html?utm_campaign=cin-atmos&utm_medium=multi&utm_source=multi&utm_content=redir-atmosmovies