Dolby Cinema Hilversum

Ein Besuch im modernsten Kino der Welt

Wenn bisher Innovationen im Kinobereich vorgestellt wurden, so waren diese meistens vorerst nur in dem Land anzutreffen, aus dem sie und der Großteil der Kinoblockbuster stammen – den USA.
In diesem Fall ist es jedoch anders:
Vor wenigen Tagen, genauer gesagt am 15.07.2015, eröffnete mit Hilversum das zweite Dolby Cinema in den Niederlanden und Europa und das insgesamt siebte der Welt. Wobei die beiden Kinos in den Niederlanden angeblich vom technischen Gesamtpaket her in einer eigenen Liga spielen und gerade Hilversum von Dolby selbst als „aktuell technologisch modernstes Kino der Welt“ bezeichnet wird!
Grund genug für mich, mir das einmal live anzusehen – mein erster Kinobesuch seit zweieinhalb Jahren!
Doch was ist überhaupt ein „Dolby Cinema“? Gibt’s nicht in jedem Kino Dolby-Ton, besser bekannt als Dolby Surround oder Dolby Digital?
In der Tat, allerdings ist dies heute nun wirklich nichts Besonderes mehr.
Und genau das war auch der Grund für meine lange Kinoabstinenz.

Das Problem: Die heutige Kinolandschaft

Noch vor ein, zwei Jahrzehnten war ein Kinobesuch etwas Besonderes. Man konnte Bild und Ton erleben, wie es zu Hause unmöglich war, Kinos waren quasi Außenposten der Traumfabrik Hollywood, die einen den Alltag für ein paar Stunden vergessen ließen und in eine andere Welt entführten – in die des jeweiligen Films.
Im Lichtspielhaus gab es ein gigantisches, farbenfrohes Bild von der Filmrolle, mit mehrkanaligem Raumklang. Zu Hause gab es höchstens VHS-Kassetten und Stereo-Ton.
Kurz: Wer Filme liebte und in bestmöglicher Qualität erleben wollte, hatte keine andere Wahl als die neuesten Blockbuster im Kino anzuschauen.

Nicht mehr so heute: Auf der einen Seite gibt es zu Hause objektbasierten, digitalen Mehrkanalsound und Full-HD-Bilder von der Blu-ray-Disc und das Internet stellt, legal wie illegal, streambare Filme bereit.
Auf der anderen Seite haben die Kinos, bedingt durch die o.g. Punkte, mit stetig sinkenden Besucherzahlen zu kämpfen – und scheuen sich daher auch immer mehr vor teuren Investitionen, die sie schlimmstenfalls nicht wieder hereinholen.
Jedoch gehen die Sparmaßnahmen bei vielen Kinobetreibern und Ketten mittlerweile so weit, dass die Lichtspielhäuser regelrecht verkommen. Von klebrigen Teppichböden, über unscharfe Projektion, alten versifften und unbequemen Sitzen, bis hin zu scheppernden Lautsprechern oder gleich viel zu leisem Ton findet sich oft die gesamte Palette an Genussverhinderern und Erholungskillern in einem einzigen Kinobesuch wieder. Und das auch noch zu dafür völlig unverschämten Preisen – was den qualitätsliebenden Filmfreund einmal mehr in sein Heimkino und den anspruchslosen Gelegenheitsgucker auf illegale Streaming-Seiten treibt. Ein Teufelskreis.

Dolby haucht Cinema neues Leben ein

Dolby Cinema“ beschreibt nun einen Anforderungskatalog für Lichtspielhäuser, der nicht mehr und nicht weniger zum Ziel hat, als die in sämtlichen Belangen modernsten und besten Kinosäle der Welt zu erschaffen. Etwas Ähnliches hatte die Lucasfilm-Tochter THX zwar bereits seit den 80er Jahren versucht, allerdings beschränkten sich die Anforderungen dort lediglich auf die Bild- und Tonqualität. Dolby hingegen definiert nun alles, vom Eingangsbereich des Kinosaals, über den technischen Aufbau, die akustische Abschirmung und das Design des Innenraums, bis hin zum Tonsystem, der Leinwand und der Projektion. Sogar die zu verwendenden Sitze, die Beinfreiheit und der Grad der Erhöhung von Sitzreihe zu Sitzreihe sind fest vorgeschrieben.

Tontechnisch ist natürlich Dolbys neueste Innovation Atmos an Bord, das erstmals auch Deckenlautsprecher beinhaltet und nicht mehr an ein festes Kanallayout gebunden ist, sondern mit Schallobjekten arbeitet, deren Position auf jede vorhandene Lautsprecherkonfiguration und -Anzahl skalierbar ist.
Eine ausführliche Beschreibung von Dolby Atmos finden Sie hier.
Alle Lautsprecher sind unsichtbar im Kinoraum hinter Akustikpaneelen versteckt, um die Immersion noch zu verstärken.

Für das Bild kommt das „Dolby Vision„-Paket zum Einsatz, welches auf eine Dual-4k-HDR-3D-Projektion per Laser-DLP setzt.
Statt der normalerweise üblichen Xenon-Lampe plus des Farbrades bei der herkömmlichen DLP-Technik, wird nun Laserlicht in den drei Grundfarben rot, grün und blau verwendet, was neben höherer Helligkeit, besonders in Spitzlichtern, auch noch eine höhere Farbreinheit und Farbräume bis hin zum BT2020-Standard ermöglicht. Zudem gehört dadurch auch der bei DLP-Beamern berüchtigte, durch das Farbrad verursachte „Regenbogeneffekt“ endgültig
der Vergangenheit an und der Schwarzwert liegt nunmehr auf dem Niveau der neuesten und besten OLED-Bildschirme.
Die HDR-Fähigkeit („High Dynamic Range“) ermöglicht außerdem, bei Filmen, die in dieser Technik gemastert wurden, eine deutlich erhöhte Bilddynamik, von der klaren Darstellung selbst dunkelster Bilddetails bis hin zu Blendeffekten, die den Zuschauer die Augen zusammenkneifen lassen. Bieten gewöhnliche digitale Kinoprojektoren Im-Bild-Kontraste von 2.000:1, und die besten maximal 8.000:1, so erreichen Dolby Vision-Projektoren über 1.000.000:1!
Um dem gerecht zu werden, zahlt sich die hohe Bittiefe des DCI/P3- und BT.2020-Farbraums von 12 Bit (4096 Abstufungen pro Grundfarbe) bei 2D und 10 Bit (1024 Abstufungen pro Grundfarbe) bei 3D aus.
Zusammen mit der insgesamt doppelt so hellen Bilddarstellung gegenüber normalen Kinos entsteht aus alledem ein Bild, das einem laut Dolby den Atem rauben soll.


Ein Versuch, auf einem normalen Monitor den Unterschied zwischen herkömmlicher (links) und HDR-Darstellung (rechts) zu veranschaulichen

JT Bioscopen als perfekter Partner

Ortswechsel in die Niederlande:
Bereits vor fünf Jahren entschloss sich die Kinokette JT Bioscopen („Jogchem’s Theaters“) zu einer Qualitätsoffensive, im Zuge derer man massiv Geld in die Hand nahm, um nach und nach all seine Kinos zu modernisieren und fortan seinen Besuchern immer möglichst schnell die neuesten Innovationen anbieten zu können, damit jeder Film in bestmöglicher Qualität gezeigt werden kann.
JT ist ein familiengeführtes Unternehmen, seit über 81 Jahren im Kinogeschäft tätig und damit nicht nur die älteste, sondern mit 22 Multiplexen auch die immerhin zweitgrößte Kinokette in Holland. Seit 2011 sind alle JT-Kinosäle voll digitalisiert, sowohl beim Ton, wie auch beim Bild.
Das „Dolby Cinema“-Anforderungspaket, das der amerikanische Sound-Konzern nun im letzten Jahr vorgestellt hatte, passte da natürlich voll in JT’s Konzept der Innovation, so dass man diese Gelegenheit nutzte, Ende 2014 am Standort Eindhoven nicht nur das erste Dolby Cinema in den Niederlanden, sondern sogar in Europa zu eröffnen.
Und mit Hilversum nun das zweite.

Theater Manager Jacco van de Ruit erklärte sich auf Anfrage von AV-Insider freundlicherweise eine Woche später bereit, mich zu empfangen und herumzuführen – eine gute Gelegenheit, mir auch gleich direkt vor Ort die beiden aktuellen Blockbuster „Jurassic World“ und „Terminator Genisys“ in standesgemäßer Qualität einzuverleiben, die für eine Demonstration der audiovisuellen Fähigkeiten geradezu prädestiniert sein dürften!
Denn auch wenn der Premierenfilm „Inside Out“, im Gegensatz zu den beiden oben genannten, bereits in Dolby Vision HDR vorliegt, so halten sich die letztendlichen Möglichkeiten der Bildqualitätsbeurteilung bei einem Animationsfilm erfahrungsgemäß eher in Grenzen. Animation sieht, gerade bei Projektion, eigentlich nie wirklich schlecht aus, weswegen ich für eine Beurteilung der HDR-Fähigkeiten lieber auf einen Realfilm warte und meine ersten Eindrücke hier zunächst mit konventionellem Material sammle.

Faszination schon vor dem Film

Bereits der Eingang der JT-Multiplexe versprüht Hollywood-Atmosphäre und Hilversum ist hier keine Ausnahme: Roter Teppich und goldene Kordelständer draußen, sowie Filmzitate auf der gläsernen Hauptschiebetür.

Der Foyerbereich ist hell und luftig, mit vielen Postern und Aufstellern aktueller und kommender Kinofilme. Und einem Schwarm an Luftballons von der Einweihungsfeier eine Woche zuvor.

Alles ist sehr sauber und der direkte Blickfang, kurz nach den charmanten Mitarbeiterinnen am Ticket-Tresen, ist der Eingansbereich des Dolby Cinema-Saals, dem Herzstück des Multiplexes.

Da aktuell noch ein Film läuft, nutze ich die Zeit, um schon einmal die Tickets zu kaufen (die mit 15,- Euro pro Film, inkl. 3D-Brille, preislich voll in Ordnung gehen) und Manager Jacco ein paar Fragen zu stellen.

Zahlen, Daten, Fakten

Ich erfahre, dass der Umbau des Kinos lediglich 8 Wochen in Anspruch nahm. Während dieser Zeit waren nicht nur viele Mitarbeiter des deutschen Bild- und Tonausstatters Veritek, sondern auch direkte Mitarbeiter von Dolby aus England und den USA zugegen, um die Prozesse zu überwachen und sicherzustellen, dass alles exakt nach den strengen Anforderungen erledigt wurde.
Schließlich ging es auch für Dolby hier einmal mehr um ein Prestigeobjekt.

Im Vergleich zu Eindhoven gibt es ein paar Unterschiede:
Einhoven hat eine 20×12 Meter große Leinwand, Hilversum „nur“ 16×9 Meter. Beide Leinwände sind „curved“ und reichen quasi über die komplette Breite des Kinosaals. Beide Standorte bieten fast die gleiche Anzahl an Sitzplätzen, in Hilversum allerdings ebenfalls in einer „curved“-Anordnung, für bessere Sicht auf die Leinwand. Einhoven hat mit 350 insgesamt 5 Plätze mehr, aber gerade Sitzreihen, von denen dafür die ersten drei mit beweglichen Rückenlehnen ausgestattet sind.
Es gibt zwar definitiv größere Kinos, auch in Holland, aber eben keine besseren.
Das Dolby Atmos-System in Eindhoven besitzt 68 Endstufen und ebensoviele Lautsprecher, beide vom Typ Vive Audio des amerikanischen Herstellers Christie, mit insgesamt 230.000 Watt. In Hilversum sind es 53 Speaker und Endstufen mit insgesamt knapp unter 200.000 Watt. Dies ist sowohl von der Raumgröße, als auch vom Verhältnis Länge zu Breite zu Höhe abhängig und wird von Dolby dem jeweiligen Kinosaal quasi individuell auf den Leib geschneidert. Zu viele Lautsprecher in einem kleineren Saal machen für die Dolby Atmos-Akustik ebenso wenig Sinn, wie zu wenige in einem größeren Saal.

Neben Bändchenhochtönern setzen die Vive-Speaker auf ein optimiertes Abstrahlverhalten, um Lautstärkeunterschiede und Klangverfärbungen auf den verschiedenen Sitzplätzen im Saal auf ein Minimum zu reduzieren.
Bildtechnisch kommen an beiden Standorten jeweils zwei Dolby Vision-zertifizierte 4k-HDR-Laserprojektoren zum Einsatz, ebenfalls vom Hersteller Christie, die zusammen bei 2D-Projektion eine Gesamthelligkeit von 31 ftl (Foot-lambert) auf die jeweilige Leinwand zaubern, bei 3D immerhin noch 14 ftl.
Normale Kinos bieten jeweils maximal die Hälfte. 
A propos Leinwand: Hier weist Jacco auf eine Besonderheit in seinem Dolby Cinema hin, die laut ihm aktuell weltweit einzigartig ist: Die Leinwand in Hilversum wird bei der Vorführung in leichte, kontrollierte Vibrationen versetzt, um durch die daraus resultierende minimale Fluktuation des Fokuspunktes auch die letzten Spuren einer eventuell sichtbaren Pixelstruktur zu eliminieren – perfekter geht es nicht!
Zu guter Letzt bieten beide Kinos, sowohl Eindhoven, wie auch Hilversum, das komplette Dolby-Design des Innenraums, in dem kein Lautsprecher sichtbar ist und ein blaues Lichtband den gesamten Saal umschließt. Auch Treppenstufen und Leinwand sind von dezentem blauem Licht umstrahlt, das zu Beginn des Hauptfilms beinahe unmerklich abgedimmt wird – und mit ihm auch die in sonst jedem Kino störende Notausgangsbeschilderung!
Dieses Feature besitzen die beiden Dolby Cinemas in den Niederlanden bisher weltexklusiv, denn normalerweise verhindern internationale Sicherheitsvorschriften derartige „Querelen“. Man scheute jedoch keinerlei Kosten und Mühen, sogar hierfür eine spezielle Schaltung zu integrieren, die sicherstellt, dass die Beschilderung bei Gefahr wieder anspringt, und sich dafür bei den zuständien Stellen auch eine Sondergenehmigung zu besorgen.
„Liebe zum Detail“ ist da fast noch untertrieben!

Entering the Rabbit Hole!

Nun ist es endlich an der Zeit, den Kinosaal zu betreten.
Dazu begeben wir uns in den akustisch gedämpften und mit einer geschwungenen Projektionsfläche ausgestatteten „Tunnel“, in dem man von seichten Klängen und edler, dezenter Beleuchtung regelrecht dem Alltag entflieht und in die Welt des Films abtaucht.
Auf der Projektionsfläche laufen generische Farb- und Lichtmuster, zu einigen Filmen werden aber auch entsprechende „Teaserszenen“ samt passender Musikuntermalung mitgeliefert, vor allem bei HDR-Filmen.
Im Kinosaal angekommen möchte man, vor allem als Technik- Film- & Kinofreund, am liebsten zunächst erst einmal ehrfürchtig auf die Knie sinken:
Obwohl der Saal, wie eingangs bereits erwähnt, größentechnisch keine neuen Rekorde aufstellt, so wirkt er in seiner gesamten optischen Anmutung doch dennoch geradezu majestätisch.
Neben dem hochmodernen Look und dem clean-edlen Ambiente (ohne sichtbare Lautsprecher) beindrucken vor allem die Deckenhöhe von 12 m und der dadurch mögliche steile Anstieg der Sitzreihen.
Die dezente, auf den ersten Blick beinahe zu schwach wirkende Beleuchtung, sowie die kaltblauen Lichtakzente, runden den perfekten Gesamteindruck ab und die für einen Kinosaal übliche Stille wirkt in diesem Moment gar, als habe selbst das Universum kurz den Atem angehalten.

Jacco stellt mir Janwillem Ronken vor, seines Zeichens Veritek-Abgesandter und derzeitiger Filmvorführer, der im Auftrag von Dolby in den ersten Wochen den reibungslosen Betrieb sicherstellt, sowie die Kinomitarbeiter schult.
Janwillem führt mich in das Heiligtum des Dolby Cinemas – den Projektions- und Technikraum, in dem ich auf Bitte von Jacco auf das Fotografieren verzichte.
Hier verrichten, in massiven Rack-Aufbauten integriert und von einer lauten und eiskalten Klimaanlage gekühlt, neben den 53 Endstufen für die Lautsprecher, die beiden riesigen, imposanten Christie-Laserprojektoren ihre Arbeit. Diese werden von jeweils 7 kaskadierten Lasergeneratoren befeuert, von denen jeder eine Leuchtkraft von 5000 ANSI-Lumen besitzt (2 x 7 x 5000 = 70.000 ANSI-Lumen), um so die enorme Helligkeit auf der Leinwand zu erzeugen.
Über eine hochauflösende Kalibrierungskamera, die im Vorführraum fest installiert ist, wird permanent und vollautomatisch pixelgenau die Konvergenz der beiden Projektoren überwacht und sicherstellt.
Zusätzlich sind so gut wie alle Komponenten online mit Dolby verbunden und bei Störungen, Fehlermeldungen, usw. wird sofort „nach Hause telefoniert“.
Sämtliche Inhalte werden per Glasfaser live über das Internet vom Server des jeweiligen Filmverleihs gestreamt – natürlich hochgradig kopiergeschützt. Alternativ kann aber, quasi als Backup-Lösung, auch per (ebenfalls speziell codierter) Festplatte und sogar per DVD oder Blu-ray Disc zugespielt werden.
Die Steuerung des gesamten Systems erfolgt per TMS-Software („Theatre Management System“) über ein MacBook, auf dem jeder Film und jeder Trailer als Datenstream („DCP“ – Digital Cinema Package) in einer Playlist angezeigt wird und per Mausclick auch in dieser verschoben werden kann. Außerdem werden zu jedem Inhalt die TechSpecs angezeigt:
Jurassic World wird in 2k 3D, 24fps und Dolby 7.1 in Englisch präsentiert, Terminator Genisys in 2k 3D, 24fps und Dolby Atmos Englisch. Beide Filme nutzen (so wie eigentlich derzeit alle digitalen Kinofilme) den DCI/P3-Farbraum.
Originalton ist in Holland seit je her Usus, was in einem Kino dieses Kalibers sowieso Sinn macht, denn jede Synchronisation kostet Klangqualität. Zusätzlich werden daher niederländische Untertitel eingeblendet.
Janwillem erklärt mir, dass aktuell sämtliche 3D-Filme weltweit „nur“ als 2k (2048×1080 Pixel, also minimal über Full-HD-Niveau)-Fassung in den Kino-Verleih kommen, da es kaum Projektoren gibt, die bei 3D 4k beherrschen. Lediglich Filme, die für die neuen, hier installierten Dolby Vision Laserprojektoren optimiert sind, werden im Dolby Cinema in 4k 3D und HDR (High Dynamic Range) gezeigt.
Bisher war dies in Europa lediglich der Animationsfilm „Inside Out“ von Disney, was sich aber schon bald ändern wird.

Langsam füllt sich der Saal mit den ersten Gästen, „Jurassic World“ beginnt in 5 Minuten. Und auch wenn dieser, wie bereits erwähnt, „nur“ in 7.1 präsentiert wird, so erfolgt laut Janwillem doch auch im Kino ein Upmixing auf sämtliche Lautsprecher des Dolby Atmos-Systems, inkl. der Overhead-Speaker. Prägnante Effekte von oben solle ich hier aber dennoch nicht erwarten. „Terminator Genisys“ in echtem Dolby Atmos hingegen würde mich danach „wegblasen“!
Das „Dolby Cinema“-Logo prangt bereits majestätisch auf der Leinwand und Jacco gibt mir noch schnell die benötigte Dolby 3D-Brille, deren System weder auf der in den meisten 3D-Kinos eingesetzten zirkularen Polfiltertechnik, noch auf der aus besseren Heim-Full-HD-Fernsehern oder -Projektoren bekannten Shutter-Technik basiert, sondern auf der sogenannten „Wavelength Multiplex Visualization“ (WMV). Diese nutzt für jedes Auge unterschiedliche Farbwellenlängen und ermöglicht dadurch ein helleres und angenehmeres 3D-Erlebnis als die beiden anderen Technologien.
Die dafür benötigten Brillen sind für das Kino zwar etwas teurer als Polfilterbrillen, werden aber gereinigt und wiederverwendet. Außerdem ist für das WMV-System, anders als bei der in den meisten Kinos gängigen „Real D 3D“-Polfiltertechnik, keine hotspotanfällige Silberleinwand erforderlich.
Ich verabschiede mich von Manager Jacco, dessen Arbeitstag nun zu Ende geht, und bedanke mich ganz herzlich bei ihm, dass er sich die Zeit für mich genommen hat.
Zurück auf meinem Platz nehme ich die Bequemlichkeit und Geräumigkeit der Kinosessel, sowie die riesige Beinfreiheit zur Kenntnis. Außerdem hätte man, aufgrund des starken Abfalls der Sitzreihen zur Leinwand, selbst dann noch komplett freie Sicht, wenn ein 2-Meter-Mensch direkt vor einem Platz nehmen würde – absolut vorbildlich!

Die Vorstellung Beginnt

Es ist 18:50 Uhr.
Das Licht dimmt etwas herunter, bleibt jedoch zunächst noch auf kleiner Stufe eingeschaltet.
Der junge Mann, der zuvor noch die Karten kontrolliert und die 3D-Brillen verteilt hat, tritt vor die aus meinem Sitz in der Mitte des Saals gigantisch wirkende Leinwand und heißt die Zuschauer per Mikrofon herzlich willkommen im Dolby Cinema. Die anschließende Erklärung in holländischer Sprache soll den Gästen die Vorzüge des neuen Saals näher bringen und schätzen lassen – eine Geste, die einmal mehr den Enthusiasmus und die Liebe zu Film und Technik des gesamten Teams widerspiegelt und mit Applaus belohnt wird.
Nach dem „Einen schönen Abend und viel Spaß“ schließt sich die Tür und den Auftakt macht der „Element“ getaufte Willkommenstrailer für das Dolby Cinema:

Es ist das erste Mal, dass ich diesen Trailer in Dolby Atmos sehe, bzw. höre und ich bin schwer beeindruckt! Spätestens die Szene, in der die leuchtende Kugel in die Flüssigkeit fällt, resoniert durch sämtliche Speaker und macht unmissverständlich klar: „Power is not a problem!“ Die kurz darauf von rechts nach links über einen hereinbrechende Welle lässt den gesamten Saal erbeben und sorgt, durch ihre schiere audiovisuelle Gewalt dafür, dass man sich unwillkürlich leicht nach rechts duckt. Völlig ohne Verzerrungen und mit wahnwitziger Lautstärke und Dynamik schlägt sie akustisch scheinbar in die linke Wand ein!
Auch das enorm helle Bild weiß zu begeistern und sorgt für absolut entspannten Seh-Genuss. Zudem fällt überhaupt nicht auf, dass im Saal noch Licht brennt – für herkömmliche Projektion wäre dies tödlich!

„Welcome to Jurassic World!“

Nach diesem Appetizer folgt, nach einigen weiteren Trailern für kommende Filme, schließlich der Hauptfilm. Erst bei Beginn von diesem wird das verbleibende Licht langsam, beinahe unmerklich, komplett heruntergedimmt – wie eingangs erwähnt inklusive der Notausgangsbeleuchtung.

Was jetzt direkt beeindruckt, ist  der wirklich enorme Schwarzwert!
Erstmals hat man im Kino den Eindruck einer komplett schwarzen Leinwand, was die Farben noch mehr leuchten lässt. Und obwohl es sich bei diesem Film „nur“ um eine 2k-Präsentation handelt, sucht man Pixelstrukturen oder Unschärfen vergeblich.
Auch für 3D-Verhältnisse ist das Bild außergewöhnlich hell – heller als bei normalen Kinos ein 2D-Bild!
In der Szene, in der die Kamera, nach Ankunft der Kinder im Hotel, über den Park fliegt, glaube ich, eine Art Pulldown-Ruckeln zu erkennen. Da der komplette Rest des Films allerdings dann flüssig läuft, dürfte dieser Fehler nicht in der Technik des Kinos, sondern im Film selbst begründet liegen – offenbar wurde die Szene in der Post-Production nachträglich beschleunigt (Nachtrag vom 22.10.2015: Die Sichtung der Blu-ray Disc bestätigt dies, auch hier ruckelt die entsprechende Szene von 00:08:37 bis 00:08:52).
Der 7.1-Raumklang überzeugt mit präziser Ortbarkeit der Dinos und sonstigen Effekte und sorgt, zusammen mit dem makellosen 3D-Bild, auch durchaus für die eine oder andere bassstarke Schrecksekunde!

„Hasta la vista, baby!“

Um 21:40 Uhr startet, nach einer kurzen Pause, die ich für den Gang zu den, von den „Expendables“ bewachten Toiletten, sowie einer weiteren kurzen Fachsimpelei mit Janwillem nutze, „Terminator Genisys“. Und gerade wo ich dachte, ich kenne nun die Fähigkeiten des installierten AV-Systems,  ist plötzlich wieder alles anders:
Offenbar wird erst in abendlichen Vorstellungen wirklich Referenzlautstärke gefahren, denn was bereits der schon vom Vorfilm bekannte „Element“-Trailer hier nun an neuer Wirkung entfaltet, ist schlicht atemberaubend und wird vom direkt danach folgenden „Unfold“-Atmos-Trailer noch unterstrichen.

Bei der „Jurassic World“-Vorstellung wurde das Soundsystem lediglich gekitzelt, erst jetzt entfaltet es seine volle Power – wohl aus Rücksicht auf jüngere Zuschauer am Nachmittag.
Absolut verzerrungs- und dröhnfreier, präzise ortbarer Kinosound von höchster Qualität, ohne störende Nebengeräusche des Interieurs oder anderer Dinge, die vom Film ablenken!
Die Wörter „Hear the whole picture“ am Ende des Trailers scheinen von hinten nach vorne, über einen hinweg, durch den Saal zu schweben und schlagen nicht nur auf der Leinwand ein, sondern auch regelrecht auf den Brustkorb – faszinierend!

Die Explosionen bei „Terminator Genisys“, und vor allem die Zeitreisen, entfalten noch mehr Druck und sogar die eine oder andere „Überflugszene“ ist hörbar, wenn auch nicht aufdringlich.
Das Soundfeld wirkt wie aus einem Guss, so als würde man sich in einer „Klangblase“ befinden, und erscheint, trotz der aberwitzigen Pegel, niemals unangenehm. Effekte prasseln von allen Seiten auf einen ein und die Szene, in der sich der Schulbus überschlägt, zeigt eindrucksvoll die Trockenheit und absolute Linearität des Basses von ca. 100 Hz hinunter bis fast 20 Hz, ohne große Pegelschwankungen oder gar Neigung zu unschönem Dröhnen!

„Completely Captivating“ indeed!

Als der Film zu Ende ist und die Umblendung zum Abspann erfolgt, sitzt man, aufgrund des perfekten Schwarzwertes, für ca. eine Sekunde in einem komplett dunklen Kinosaal. Bisher völlig unmöglich und daher sehr ungewohnt – aber mindestens ebenso beeindruckend!

Langsam geht das Licht wieder an und mir wird zu der sehr gelungenen Neuinterpretation des bekannten „Terminator“-Themes nicht nur bewusst, dass ich, dank der wirklich superbequemen Kinosessel und der großen Beinfreiheit, ohne Probleme auch noch einen dritten Film würde schauen können, sondern auch, dass ich bisher wirklich kein vergleichbares Gesamterlebnis in einem Kino hatte.
Zudem habe ich noch in keinem Lichtspielhaus derart entspannt 3D genossen und meine ursprüngliche Skepsis gegenüber des auf unterschiedlichen Farbwellenlängen basierenden WMV-Systems (das bei mir unweigerlich grausige Erinnerungen an die damaligen rot/grün-Brillen weckte) hat sich in Luft aufgelöst.
Der nächste Besuch, spätestens beim Start eines in 4k und HDR gemasterten Films, ist somit schon obligatorisch, obwohl es beinahe nicht zu glauben ist, dass sich das heutige Erlebnis  tatsächlich noch weiter steigern lässt.
Dafür auf jeden Fall schon einmal Gratulation und ein riesiges Kompliment an Dolby und JT!
Ich verabschiede mich nun auch von Janwillem, der mir wirklich sehr viel Hintergrundwissen vermittelt hat, und bedanke mich für seine Zeit. Ein wirklich sehr kompetenter und supernetter Typ!

Das Fazit

Damit endet mein Tag in Hilversum und die Bilanz fällt – wer hätte das gedacht – durchweg positiv aus:  Ein Dolby Cinema bietet in der Tat das derzeit ultimative Filmerlebnis, sowohl audiovisuell, wie auch in Sachen Atmosphäre und Bequemlichkeit, und sei deshalb jedem Film- und Kinofreund (der der englischen Sprache mächtig ist) wärmstens ans Herz gelegt, zumal Hilversum vom Münsterland nur ca. 1,5 bis 2,5 Autostunden entfernt liegt – für das modernste Kino der Welt ein lohnenswerter Katzensprung!

Und Deutschland?

Die Frage, die sich natürlich dennoch aufdrängt: Wird es auch Dolby Cinemas in Deutschland geben, und wenn ja, wann?
Die Antwort steht derzeit in den Sternen.
Zumindest für Österreich hat Dolby gerade einen Deal mit der Kinokette Cineplexx verkündet, der bis 2017 die Eröffnung von 6 Dolby Cinemas vorsieht – zwei davon noch in diesem Jahr.
Auch JT investiert weiter und eröffnet sein drittes Dolby Cinema später dieses Jahr in Alkmaar.
Von Deutschland hört man bislang nichts. Offenbar ist vielen die Investition zu hoch und man befürchtet, wie eingangs bereits erwähnt, das Geld nicht wieder hereinzuholen. Immerhin kostete beispielsweise nur der eine Saal in Eindhoven laut Manager Albert Schoemaker zwei Millionen Euro.
Auch wenn Dolby angeblich einen Teil der Kosten übernimmt, ist dies für kleine private Kinos nicht zu stemmen und selbst große Ketten wie Cinestar haben sich, zumindest hier in der Region, mit der Ausstattung und Pflege ihrer Kinos in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, was es eher unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass in naher Zukunft nun plötzlich derart investiert werden wird.
JT in Holland sagt allerdings, dass man nach jeder Investition in Qualität und Innovation bisher auch einen direkten und deutlichen Anstieg an Besucherzahlen verzeichnen konnte – das Konzept Innovation gegen Rezession funktioniert also, zumindest in den Niederlanden.
Aber wer weiß, vielleicht denkt ja gerade jetzt in diesem Moment ein Entscheider in Deutschland darüber nach – warten wir mal ab!

HDR Possible

Einen Tag nach meinem Besuch in Hilversum lese ich übrigens, dass bereits in der darauffolgenden Woche, ab dem 29.07., „Mission Impossible: Rogue Nation“ dort anläuft – in 4k Dolby Vision HDR!
Wie sagte schon der Terminator: „I’ll be back!“