Surround-Sound von damals bis heute (Teil 2/2)

Das neue Jahrtausend

Nach schier endloser Wartezeit kommt hier nun endlich Teil zwei von AV-Insiders großem Surround-Sound-Überblick.
Der Hauptgrund für die Verzögerung, neben Zeitmangel des Autors, war, dass DTS sich lange Zeit lies, sein neuestes Soundsystem DTS:X vorzustellen, ohne welches dieser Artikel schlichtweg nicht komplett gewesen wäre.
Und auch wenn exaktere Infos zu oder gar Erscheinungstermine von Filmen in diesem Format nach wie vor auf sich warten lassen, so exisiterte dennoch nun genug Input, um den Artikel fertigzustellen.
Späteinsteiger oder Leser mit schwachem Erinnerungsvermögen sollten sich zuvor noch (einmal) den ersten Teil zu Gemüte führen, bevor es nun weitergeht:

Besseres Upmixing braucht das Land!

Nachdem sich nun sehr viele Nutzer an die hervorragende Klangqualität von Dolby Digital und DTS gewöhnt hatten, wurde ein Problem immer offensichtlicher: Stereo-Quellen klangen auf den Digital-Surround-Systemen im Vergleich erschreckend schlecht, der Dolby Surround Pro Logic-Decoder, der nach wie vor zusätzlich als Upmixer (oder auch „Surround-Aufpolierer“ genannt) in den modernen Dolby Digital-Verstärkern/Receivern steckte, war mittlerweile hoffnungslos veraltet.

Im Jahr 2000 präsentierten sowohl Dolby als auch DTS Lösungen für dieses Problem: Dolby Surround Pro Logic II und DTS Neo:6 sollten Stereo-Quellen surroundtechnisch auf die Sprünge helfen und boten Modi für sowohl Musik, wie auch Filme, Pro Logic II zusätzlich sogar für Spiele.

Allen Modi gemein war, dass aus dem Stereo-Signal nunmehr 5 vollfrequente Kanäle extrahiert wurden: Vorne Links, Mitte, Vorne Rechts, Hinten Links, Hinten Rechts. Vorbei die Zeit, in denen man sich mit einem Mono-Surroundkanal mit begrenztem Frequenzgang herumärgern musste. Auch die Kanaltrennung wurde, dank modernerer Matrix-Schaltungen, stark verbessert.

Im Vergleich gewinnt Dolby Pro Logic II klar gegenüber DTS Neo:6. Letzteres wirkt vom Höreindruck weniger fidel und insgesamt auch weniger räumlich. Im Musik-Modus wird hier z.B. auf die rückwärtigen Kanäle einfach Hall gelegt, während Dolby gezielt nach Phasendrehungen und Rauminformationen im Stereo-Signal sucht und diese korrekt auswertet und platziert.
Das Signal wird dabei immer zuerst auf die beiden Frontkanäle geschickt. Stellt sich dieses dann als Stereo-Signal heraus, so wird innerhalb weniger Millisekunden der Center stärker mit einbezogen.
Im Film-Modus ist es umgekehrt. Dies nimmt Musik die vom alten Pro Logic-System her berüchtigte Centerlastigkeit und sorgt bei Filmen für korrekt platzierte Stimmen.
Der Spielemodus legt insgesamt eine noch höhere Räumlichkeit an den Tag, Musik verteilt sich weiträumig über alle Lautsprecher und Effekte werden präzise geortet. So erstrahlen Games akustisch in neuem Glanz, ohne dass der Klang „verschmiert“.

Dolby Surround Pro Logic II und DTS Neo:6

Funktionsprinzip: analog
Kanalanzahl: 5
davon diskret: 2
Frequenzgang: entspr. Eingangssignal
Kanaltrennung Pro Logic II: gut
Kanaltrennung Neo:6: befriedigend
Komprimierung: nein
Datenrate: analog
Abtastrate: analog
Systemtyp: Upmixer
Übertragung: Stereo (Cinch/Scart/Klinke/Optisch/Coax/HDMI)

 

Der Sprung auf 7.1

THX Surround EX machte den (verdeckten) Auftakt:
Anders als Nicht-THX-zertifizierte Verstärker, die bei „Dolby Digital Surround EX“ auf ein 6.1-Kanal-Layout setzten, sieht THX Surround EX mit 7.1 Kanälen von Anfang an zwei Rear-Center vor, die nebeneinander platziert werden und bei 5.1-Inhalten zu den Side-Surrounds erweiternd oder auch parallel geschaltet werden können. THX bietet hierfür 4 Modi an, um einerseits entweder die L-förmige Effektspeaker-Anordnung im Kino, inkl. Simulation der kinotypischen Höhenabsenkung (Cinema Mode), ein 5.1 Speaker-Setup für Musik (Music Mode) oder eine 5.1-Infrastruktur für punktgenaue Effekte von Videospielen (Game Mode) zu emulieren und andererseits, im THX Surround EX Modus, die beiden Rear-Center für 6.1-Soundtracks parallel laufen zu lassen.
Dies ermöglicht einen deutlich vielseitigeren Einsatz des gesamten vorhandenen Speaker-Lineups in allen Situationen gegenüber einem 6.1-System, bei dem im 5.1-Betrieb der Rear-Center komplett ungenutzt bleibt.

Auch Dolby erkannte dieses Potenzial und erweiterte seinen Upmixer mit Dolby Surround Pro Logic II x auf 7.1.
DTS reichte für Neo:6 ein Upgrade nach, ohne den Namen des Systems zu verändern.
Somit können seitdem auch Stereo-Inhalte adäquat auf 7.1 „aufgeblasen“ werden, wobei qualitativ einmal mehr Pro Logic II x gegenüber Neo:6 gewinnt.
Ferner sorgt der Pro Logic II x Movie Modus sogar bei 5.1- oder 6.1-Matrix-Quellen für eine lückenlose Ausnutzung der beiden Rear-Center, wobei im Gegensatz zum THX Surround EX Modus beide Back-Surrounds getrennt angesprochen und damit die Präzision und Ortbarkeit im rückwärtigen Klangfeld noch weiter gesteigert wird, was zu einem lückenlosen 360°-Klangfeld mit präsziser Effektortung führt.

2009 stellten Dolby mit „Pro Logic II z“ und 2011 DTS mit „DTS Neo X“ erneut kleine Updates ihrer Upmixer vor.
Die Neuerung: Höhenkanäle – bei Dolby zwei Stück (werden vorne über den Hauptlautsprechern platziert), bei DTS gar derer vier (zwei vorne, zwei hinten).
Da diese Systeme allerdings weder einem Standard folgen, noch Filme speziell dafür abgemischt werden, fristen sie allenfalls ein Nischendasein und werden von echten Heimkinoenthusiasten gar eher belächelt, da ihen nachgesagt wird, das Klangbild und die Effektortung zu „verwässern“.

 

Lossless Surround Sound: Kompromisslose Klangqualität

Mit Einführung von „Full-HD“ beim Bild, wurde zum Release des neuen DVD-Nachfolgeformats Blu-ray (und des gescheiterten Konkurrenzsystems HD-DVD) im Jahr 2006 auch der Ruf nach „HD-Ton“ laut:
Bisherige Digital-Surround-Systeme basierten, wie eingangs bereits erwähnt, auf komprimiertem Sound, ähnlich mp3.
Die reine Klangqualität lag also deutlich unter z.B. der einer CD.
Da auch diese schon lange nicht mehr die klangtechnische Referenz darstellte, war das erklärte Ziel, Raumklangformate zu schaffen, die die CD klangtechnisch übertrafen, um echte audiophile Ansprüche zu befriedigen.
Dies war bisher, aufgrund mangelnden Speicherplatzes auf DVD, aber auch an der nötigen Rechnenpower (bzw. der Herausforderung, diese bezahlbar anbieten zu können), gescheitert – wie Experimente, wie die DVD-Audio oder die Super Audio CD (SACD), die leider nicht aus der High-End-Nische herauskamen und sich am Markt, vor allem aufgrund ihrer Preise für Hard- und Software, nicht durchsetzen konnten, leider zeigten.
Dennoch flossen sehr viele der dort gewonnenen Erfahrungen letztlich in die Entwicklung der sogenannten „Lossless-Surround-Formate“ (engl. „lossless“ = verlustfrei) ein, Dolbys System basiert gar auf dem gleichen Codec wie einst das DVD-Audio-Format.

Die einfachste Lösung wäre freilich gewesen, höher aufgelösten Sound als unkomprimierte 5.1-, 6.1- oder gar 7.1-Tonspur auf die Disc zu packen, z.B. im von der CD gängigen (und bis heute im Kino für Lossless-Sound seit Beginn der Digitalprojektions-Ära genutzten) PCM-Format.
Dies wurde in der Tat auch praktiziert, stellte sich aber letztendlich dann doch als zu ineffizient heraus, was die Nutzung des vorhandenen Speicherplatzes selbst auf einer Blu-ray Disc anging.
Wollte man mehrere Tonspuren (z.B. Sprachen) in Lossless-Surround bieten, so blieb am Ende schnell nur noch weniger als die Hälfte, teiweise nur ein Drittel des zur Verfügung stehenden Speicherplatzes für das Bild übrig – was dann bei diesem zu qualitätseinbußen geführt hätte und folglich keine Option war.
Eine andere Lösung musste her, weshalb man u.a. auf Technologien der DVD-Audio zurückgriff, die sich des MLP-Codecs („Meridian Lossless Packaging“) bediente.
Dieser ist in der Lage, ähnlich einer ZIP-Datei, Audio verlustfrei zu komprimieren. Die Funktion ist denkbar simpel:
Eine binäre Zeichenabfolge wie z.B. 0000000000111111000011111111111100011111 wird einfach auf 10×0+6×1+4×0+12×1+3×0+5×1 geschrumpft – der eingesparte Speicherplatz ist offensichtlich, ein qualitativer Unterschied nach der Dekomprimierung nicht vorhanden.
Für die Filmnutzung wurde der MLP-Codec um ein paar Funktionen erweitert (z.B. um Support für bis zu 16 diskrete Kanäle) und umbenannt – in Dolby TrueHD.

Ebenso war DTS direkt mit einem eigenen Lossless-Surroundformat-Codec zur Stelle, der ähnlich wie Dolby TrueHD arbeitet und eine Evolution des schon für DTS Home verwendeten „Coherent Acoustics“-Codecs darstellt.

Beide Systeme werden in der Praxis für Tonspuren mit bis zu 7.1 Kanälen bei bis zu 24 Bit / 96 kHz genutzt (sind aber für die Zukunft noch erweiterbar) und sind dabei vollständig abwärtskompatibel, bis hinunter zu Mono – u.a. dadurch, dass die HD-Tonspuren jeweils auch einen „Core“ (Kern) in komprimiertem Dolby Digital bzw. DTS (5.1) beinhalten, der auf nicht-HD-Sound-kompatiblen Geräten, z.B. über den Lichtleiter-Anschluss, ausgegeben wird.
Für die Übertragung der Lossless-Formate hingegen, deren Datenraten bis hinauf zu 18 MBit/s (Dolby TrueHD) respektive 24.5 MBit/s (DTS HD Master Audio) klettern können, reicht die Bandbreite der „Optical“- oder „Coaxial“-Anschlüsse nicht aus, weswegen hier HDMI die einzig gangbare Anschlussvariante ist.
Anders als auf der DVD sind Dolby und DTS nun zudem gleichberechtigt, die Nutzung mindestens eines Tonformats ist „mandatory“, also vorgeschrieben – vorbei die Zeiten der DVD, wo sich, zusätzlich zu einer DTS-Tonspur, immer noch mindestens eine Dolby- oder MPEG-Tonspur (mindestens in Stereo) auf der Disc befinden musste.

Dolby TrueHD

Funktionsprinzip: digital
Kanalanzahl: bis zu 16 (15.1, 15 Hauptkanäle, 1 Tieftonkanal)
davon diskret: 16 (15.1, 15 Hauptkanäle, 1 Tieftonkanal)
Frequenzgang der Kanäle Stereo: 20 – 96.000 Hz
Frequenzgang der Kanäle Multichannel: 20 – 48.000 Hz
Frequenzgang des Tieftonkanals (LFE): 20 – 120 Hz
Kanaltrennung: sehr gut
Verlustbehaftete Komprimierung: nein
Datenrate: bis zu 18 MBit/s
Abtastrate Stereo: bis zu 192 kHz/24 Bit
Abtastrate Multichannel: bis zu 96 kHz/24 Bit
Systemtyp: Codec
Übertragung: Bitstream (HDMI)

DTS HD Master Audio

Funktionsprinzip: digital
Kanalanzahl: theoretisch bis zu unendlich
davon diskret: theoretisch bis zu unendlich
Frequenzgang der Kanäle Stereo: 20 – 96.000 Hz
Frequenzgang der Kanäle Multichannel: 20 – 48.000 Hz
Frequenzgang des Tieftonkanals (LFE): variabel
Kanaltrennung: sehr gut
Verlustbehaftete Komprimierung: nein
Datenrate: bis zu 24,5 MBit/s (bei bis zu 7.1 Kanälen)
Abtastrate Stereo: bis zu 192 kHz/24 Bit
Abtastrate Multichannel: bis zu 96 kHz/24 Bit
Systemtyp: Codec
Übertragung: Bitstream (HDMI)

Nicht „lossless“, aber immerhin „less loss“

Als weniger datenhungriges Derivat von Dolby TrueHD schickte Dolby zeitgleich noch Dolby Digital Plus ins Rennen, das durch einen effizienteren Codec bei geringerer Datenrate die gleiche Qualität wie herkömmliches Dolby Digital erreicht, bzw. bei höherer Datenrate irgendwo zwischen Dolby Digital und Dolby TrueHD liegt. 
Gleiches führte DTS mit DTS HD High Resolution ein.
Beide Systeme zielen auf klangliche Verbesserungen bei bandbreitenkritischen Anwendungen ab, wie z.B. Fernsehen, Streaming oder Videospiele.
Das Kanallayout kann bei DD Plus bei bis zu 13.1, bei DTS HD HR bei bis zu 7.1 Kanälen liegen, die Datenraten bei bis zu 6 MBit/s.
Auch hier gibt es einen Dolby Digital-/DTS-Core für die Abwärtskompatibilität.

Dolby Digital Plus

Funktionsprinzip: digital
Kanalanzahl: bis zu 14 (13.1, 13 Hauptkanäle, 1 Tieftonkanal)
davon diskret: 14 (13.1, 13 Hauptkanäle, 1 Tieftonkanal)
Frequenzgang der Kanäle: 20 – 48.000 Hz
Frequenzgang des Tieftonkanals (LFE): 20 – 120 Hz
Kanaltrennung: sehr gut
Verlustbehaftete Komprimierung: ja
Datenrate: bis zu 32 bis 6144 kBit/s
Abtastrate: bis zu 96 kHz/24 Bit
Systemtyp: Codec
Übertragung: Bitstream (HDMI)

DTS HD Master Audio

Funktionsprinzip: digital
Kanalanzahl: bis zu 8 (7.1, 7 Hauptkanäle, 1 Tieftonkanal)
davon diskret: 8 (7.1, 7 Hauptkanäle, 1 Tieftonkanal)
Frequenzgang der Kanäle: 20 – 48.000 Hz
Frequenzgang des Tieftonkanals (LFE): 20 – 80 Hz
Kanaltrennung: sehr gut
Verlustbehaftete Komprimierung: ja
Datenrate: bis zu 1536 bis 6144 kBit/s
Abtastrate: bis zu 96 kHz/24 Bit
Systemtyp: Codec
Übertragung: Bitstream (HDMI)

 

Die Zukunft: Objektbasierter Raumklang

Den neuesten Streich in Sachen Kinosound stellte Dolby 2012 mit Disney/Pixars „Brave“ (deutscher Titel „Merida – Legende der Highlands“) vor:

Dolby Atmos

Erstmals in der Geschichte des Kinotons ist dieser nicht länger an ein festes Kanallayout, ja nicht einmal an feste Kanäle gebunden, sondern objektbasiert – will heißen: Beim Abmischen sehen die Toningenieure den Kinosaal als dreidimensionalen Raum auf ihrem Monitor und können jeden Schallereignis frei in diesem platzieren.
Die Software im Decoder im Kino legt dann, unter Berücksichtigung der installierten Lautsprecherkonfiguration, automatisch und in Echtzeit fest, was aus welchem Lautsprecher kommen muss, um die Illusion, man wäre „mittendrin, statt nur dabei“, perfekt zu machen.
Der Vorteil: Eine Abmischung genügt für sämtliche Lautsprecherkonfigurationen, von Mono bis theoretisch unendlich.
Dabei ermöglicht Dolby Atmos erstmals auch den Einsatz von Deckenlautsprechern und damit Soundeffekten von oben – im Gegansatz zu Spielereien wie Pro Logic II z und DTS Neo X nun erstmals standardisiert und durch die Tonabmischer voll unterstützt!
Einen detaillierten AV-Insider-Bericht über die grundsätzliche Funktionsweise von Dolby Atmos im Kino finden Sie hier.
Seit Mitte 2014 hat das System auch Einzug in den Heimkinomarkt erhalten, der erste Blu-ray Film mit Atmos-Tonspur war Transformers 4 Ende letzten Jahres.

Weitere Filme, die seitdem mit dem neuen, objektbasierten Sound erschienen sind, sind z.B. The Expendables 3 und eine Neuauflage von Gravity (wenn auch ohne 3D-Bildoption), u.A. – allerdings, bis auf wenige Ausnahmen, bei der englischen Originaltonspur.
Die große Welle von Atmos-Filmen für zu Hause bleibt bisher aus, obwohl sich in den Hollywood-Archiven seit der Kino-Einführung des Systems bereits mehrere hundert Titel befinden.

Die Anzahl an Atmos-fähiger Hardware nimmt ebenfalls stetig zu, das System dürfte allerdings nicht den Massenmarkt erreichen, der sich nun einmal im Wohnzimmer abspielt – denn dort wollen die meisten (weiblichen) Menschen mittlerweile eher wieder immer weniger als immer mehr Lautsprecherboxen stellen (müssen). Auch Kompromisslösungen, wie nach oben strahlende Lautsprecher, die man auf die 4 Hauptlautsprecher stellen kann, um die Deckenspeaker zu ersetzen, dürften hier nur geringen Akzeptanzzuwachs bringen, da vielen mittlerweile selbst schon 5 Lautsprecher zu viel sind.

Es bleibt also der ambitionierte Heimkinoenthusiast als Zielgruppe.
Und um genau den bemüht sich natürlich nicht nur Dolby, sondern auch DTS, weshalb es nur eine Frage der Zeit war, bis man Dolby Atmos mit einem eigenen Äquivalent angreifen würde:

DTS:X

Ende 2014 erstmals offiziell vorgestellt, erfolgte die Enthüllung genauerer Spezifikationen des nicht mit „DTS Neo X“ zu verwechselnden Systems erst am 09. April diesen Jahres – und diese lesen sich, oh Wunder, mehr oder weniger deckungsgleich mit denen von Dolby Atmos, was sinnig erscheint, da es keinen Sinn gemacht hätte, auf ein verändertes Kanallayout ggü. dem Marktführer zu setzen, wie es z.B. Barco Auro 3D tut (dazu weiter unten mehr).

Die einschlägigen Hardwarehersteller haben für die kommenden Monate bereits Verstärker/Receiver/Prozessoren, sowie für einige existierende Modelle DTS:X-Firmware-Upgrades angekündigt, die ersten Geräte kommen gerade auf den Markt.
Das momentane Problem: Es gibt weder im Kino (wo das System derzeit zeitgleich eingeführt wird), noch auf Blu-ray Disc, abgesehen von „Proof of Concept“-Ausschnitten auf der im Januar auf der CES in Las Vegas vorgestellten DTS Demo Disc 2015, bisher auch nur einen einzigen Film mit dem neuen Tonformat, allein Lionsgate hat, zumindest für die USA, unlängst die Sci-Fi-Blu-ray „Ex Machina“ mit DTS:X-Tonspur angekündigt.

Sowohl Dolby Atmos, als auch DTS:X setzen für zu Hause auf ihre kanalbasierten Lossless-Vorgängersysteme auf und sind dadurch vollständig abwärtskompatibel: Ein Dolby TrueHD Prozessor erkennt, wenn er einen Atmos-Stream vorgesetzt bekommt, den darin ebenfalls enthaltenen TrueHD-Datenstrom und spielt diesen in bis zu 7.1 ab – ganz wie eine herkömmliche TrueHD-Tonspur.
Ebenso verhält es sich mit DTS:X und DTS HD Master Audio.
Zusätzlich können auch Dolby Digital Plus- und DTS HD High Resolution-Tonspuren um Dolby Atmos, respektive DTS:X erweitert werden, so dass sogar im TV, beim Internetstreaming oder sogar bei Videospielen objektbasierter Sound möglich wird. Letzteres haben beide Firmen sogar bereits angekündigt.

Dolby Atmos

Funktionsprinzip: digital
Kanalanzahl: theoretisch unendlich
davon diskret: alle
Frequenzgang der Kanäle Stereo: 20 – 96.000 Hz
Frequenzgang der Kanäle Multichannel: 20 – 48.000 Hz
Frequenzgang des Tieftonkanals (LFE): variabel
Kanaltrennung: sehr gut
Verlustbehaftete Komprimierung: nein
Datenrate: bis zu 18 MBit/s
Abtastrate Stereo: bis zu 192 kHz/24 Bit
Abtastrate Multichannel: bis zu 96 kHz/24 Bit
Systemtyp: Codec
Übertragung: Bitstream (HDMI)

DTS:X

Funktionsprinzip: digital
Kanalanzahl: theoretisch bis zu unendlich
davon diskret: alle
Frequenzgang der Kanäle Stereo: 20 – 96.000 Hz
Frequenzgang der Kanäle Multichannel: 20 – 48.000 Hz
Frequenzgang des Tieftonkanals (LFE): variabel
Kanaltrennung: sehr gut
Verlustbehaftete Komprimierung: nein
Datenrate: theoretisch unendlich
Abtastrate Stereo: bis zu 192 kHz/24 Bit
Abtastrate Multichannel: bis zu 96 kHz/24 Bit
Systemtyp: Codec
Übertragung: Bitstream (HDMI)

Die gestiegene Anzahl möglicher Lautsprecher weckte natürlich auch den Bardarf nach einem noch leistungsfähigeren analogen Upmixer, den sowohl Atmos als auch :X daher ebenfalls beinhalten.
Während  DTS sein System hier „Neural:X“ getauft hat, hört das von Dolby (un-)sinnigerweise wieder auf den schlichten Namen… „Dolby Surround“!
Ja, in der Tat glaubt Dolby wohl, das kaum jemand heute noch den Namen des ersten Heimsurround-Systems (das auch den Auftakt zum ersten Teil dieses Artikel-Zweiteilers markierte) in Erinnerung hat – oder dass der Name gar noch immer eine derart hohe Zugkraft besitzt, dass er für den neuesten Upmixer aus dem eigenen Hause gerade gut genug ist.
Sei es drum, die Qualität der Surround-Aufpolierer wird allgemein – mit leichten Vorteilen bei „Neural:X“, als sehr gut bezeichnet, sowohl beim Upmixing von Stereo als auch von kanalbasiertem Surround bis hin zu 7.1 auf jegliche Atmos-/:X-Konfigurationen.

 

Der Außenseiter: Barco Auro 3D

Ungefähr parallel mit der Vorstellung von Dolby Atmos macht noch ein anderes System von sich reden: Auro des belgischen Herstellers Barco, der sich bisher vor allem im Bereich hochwertiger, professioneller digitaler (Heim-) Kinoprojektoren einen Namen gemacht hatte.
Das System wurde bereits 2005 von Wilfried van Baelen, CEO der belgischen Tonabmischfirma „Galaxy Studios“ entwickelt und ist, im Gegensatz zu Dolby Atmos, nach wie vor ein kanalbasiertes System, das beim Lautsprecher-Layout aber seit 2010 auf ein 11.1-Setup setzt (maximal gar 13.1 unterstützt), bestehend aus zwei „Etagen“ aus jeweils 5 Lautsprechern (jeweils wie in einem klassischen 5.1-Setup angeordnet), einem Subwooferkanal, sowie einem Overhead-Speaker, der sogenannten „Voice of God“.
Dabei kann der Soundstream in einen 5.1-Mix downgemixt werden und später, durch Metadaten, die sich in diesem befinden und nur von einem Auro-Decoder ausgewertet werden können, wieder auf voll diskrete 11.1 Kanäle decodiert werden (vereinfacht ausgedrückt über eine Art „digitale Matrix“), was die Abwärtskompatibilität sicher stellt.
Auch einen Surround-Upmixer namens „Auro-Matic“ enthält das Technologiepaket.

Nachdem die Galaxy-Studios 2011 die Partnerschaft mit Barco eingingen, war der erste Hollywoodfilm, der in Auro 11.1 abgemischt wurde, 2012 George Lucas‘ Weltkriegs-Action-Spektakel „Red Tails“.
Der Film war aufgrund seiner luftkampflastigen Flugthematik das ideale Zugpferd für Auro 11.1, da sich hier z.B. akustisch extrem beeindruckende Überflüge und dergleichen realisieren ließen.
Und auch wenn der Film selbst bei den Kritikern eher durchfiel, so wurde die Tonabmischung explizit gelobt.

Auro bekam 2014 auch eine Heimversion spendiert, die einige Hersteller gar als (id.R. kostenpflichtiges) Firmware-Upgrade für ihre Atmos-Receiver/Verstärker anbieten.
Auch wenn das System akustisch sehr zu begeistern weiß, so hat es am Markt doch mit zwei Problemen zu kämpfen:
Erstens weicht die Lautsprecherkonfiguration massiv von der für ein Atmos-Layout ab, beide Systeme sind nicht unter einen Hut zu bekommen.
Kinobetreiber, wie auch Heimkinonutzer müssen sich also bereits zu Anfang, bei der Aufstellung ihrer Lautsprecher, bzw. Konzeption ihres (Heim-) Kinoraums, für eines von beiden Systemen entscheiden, das andere ist dann nicht mehr (oder nur klanglich, weil ortbarkeitstechnisch verfälscht) nutzbar.
Für die Entscheidung dürfte die Anzahl verfügbarer Filme eine nicht unwichtige Rolle spielen – was uns direkt zum zweiten Problem führt:
Die Anzahl von Auro-Abmischungen hält sich eher in Grenzen, besonders seit Atmos auf dem Markt ist gerät das System zunehmend ins Hintertreffen. Was nicht verwundert, denn schließlich kommt der Großteil des weltweiten Angebots großer Kinoblockbuster aus Hollywood – und die amerikanische Filmindustrie ist traditionell eng mit landeseigenen Soundfirmen wie Dolby oder DTS verbunden, weshalb es ein europäisches System schwer hat, in Hollywood Fuß zu fassen.

Barco Auro 3D

Funktionsprinzip: digital
Kanalanzahl: bis zu 14 (13.1, 13 Hauptkanäle, 1 Tieftonkanal)
davon diskret: 14.1 (13.1, 5 Hauptkanäle, 1 Tieftonkanal)
Frequenzgang der Kanäle: 20 – 48.000 Hz
Frequenzgang des Tieftonkanals (LFE): 20 – 120 Hz
Kanaltrennung: sehr gut
Verlustbehaftete Komprimierung: nach Bedarf
Datenrate: k.A.
Abtastrate Multichannel: bis zu 96 kHz/24 Bit
Systemtyp: Codec
Übertragung: Bitstream (HDMI)

Atmos, :X und Auro markieren aktuell die Spitze des surroundtechnischen Eisbergs und damit auch das Ende dieses Artikels.
Es wird aber weiterhin spannend bleiben in der Welt des Kinosounds, nicht nur was zukünftige Filme, sondern auch zukünftige Technologien angeht.
Fakt ist: So gut wie heute klang es noch nie – weder im Kino, noch zu Hause.