Krumm – warum?
Am Anfang war die Bildröhre (auch Kathodenstrahlröhre oder Braunsche Röhre genannt).
Und diese war nicht flach, nicht eben, ganz im Gegenteil. Ihre sichtbare Oberfläche glich quasi dem Ausschnitt aus einer Kugel, ihre Biegung war konvex, sowohl in der Horizontalen, wie auch in der Vertikalen.
An diesem Beispiel sieht man die konvexe Krümmung der Bildröhre, sowohl horizontal, wie auch vertikal, sehr gut
Dies hatte produktionstechnische Gründe, da die Röhre ein Vakuum enthielt und eine konvexe Biegung des umgebenden Glases hier rein physikalisch die höchste Stabilität bei gleichzeitig geringstnötigem Materialaufwand bot – zumal es im Jahre 1926 selbst dann noch eine große technische Herausforderung darstellte, eine solche Röhre zu produzieren.
Die Nachteile der konvexen Biegung nahm man (gezwungenermassen) billigend in Kauf: Das Bild wies praktisch aus jedem Blickwinkel Verzerrungen auf, selbst wenn man mittig davor saß, lief das Bild zu den Ecken hin „nach hinten weg“.
1968 gelang es der Firma Sony mit ihrer Trinitron-Röhre, die vertikale Biegung zu eliminieren. Was blieb war die konvexe Wölbung in der Horizontalen – die Trinitron-Röhre schien kein Ausschnitt aus einer Kugel mehr zu sein, sondern vielmehr aus einem Zylinder.
Erst 1998 stellte derselbe Hersteller mit dem FD Trinitron/Wega eine äußerlich horizontal wie vertikal komplett plane Bildröhre vor.
Einer der ersten komplett flachen Röhrenfernseher
In etwa zur gleichen Zeit tauchten auch bereits die ersten (damals noch sündhaft teuren) Plasma– und LCD-Displays auf, die dann nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes „oberflächlich“ flach waren, sondern auch endlich der unpraktischen Bautiefe gängiger Röhrenfernsehern zuleibe rückten.
Einer der ersten Plasmafernseher
Ist „endlich ganz flach“ nun nicht mehr gut genug?
Heute sind aktuelle Fernseher nur noch maximal wenige Zentimeter dick, ihre Bildfläche ist komplett plan und auch größentechnisch ist, das passende Budget vorausgesetzt, für beinahe jeden etwas dabei.
Auch in Sachen Bildqualität ist derzeit mit dem Panasonic
TX-P60ZT60E Plasma der Zenit erreicht, eine Steigerung von Schwarzwert, Kontrast, Farbtreue, Bewegungsschärfe, Leuchtkraft, Langlebigkeit und Preis/Leistungsverhältnis ist frühestens dann zu erwarten, wenn die OLED-Technologie ausgereift und bezahlbar ist – was nach aktuellem Kenntnistand noch mindestens 5-6 Jahre dauern dürfte, wie selbst Industrie-Insider bestätigen. Die ersten Geräte, die aktuell auf den Markt kommen, haben noch mit Kinderkrankheiten und absurd hohen Preisen zu kämpfen.
Wobei auch der aktuelle König in Sachen Bildqualität kein Schnäppchen ist: Er kostet stolze 4500,- Euro, seine Produktion wurde allerdings kürzlich eingestellt, da man die Plasma-Technologie (leider) grundsätzlich ad Acta gelegt hat.
Die derzeitige Bildreferenz – der Panasonic TX-P60ZT60E Plasma
Somit muss man bildqualitativ, zumindest in den nächsten Jahren, sowieso erst einmal wieder Abstriche in Kauf nehmen, da kein aktueller (und künftig zu erwartender) LED-LCD-TV an die Ansi-Kontrast-Werte und die Bewegungsschärfe von Plasma oder zukünftigen OLEDs herankommt.
Die Industrie muss ihren Fokus nun also notgedrungen vorerst auf andere Dinge legen – und so wurde kurzerhand die bisherige TV-Evolution weitergesponnen:
Wo einst aus Konvex Eben wurde, wird nun aus Eben… Konkav.
Blick auf einen Curved-TV aus relativ spitzem Winkel
Bringt das etwas?
Die eindeutige Antwort auf diese Frage lautet kurz und bündig:
„Jein!“
Die Idee ist zumindest nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn schon seit Jahrzehnten setzen moderne Kinos auf konkav gewölbte Leinwände.
Beispiel einer konkav gebogenen Leinwand in einem modernen Kino
Da Kinosääle sehr groß sind, macht dies dort allerdings auch in mehrerlei Hinsicht Sinn. Plane Leinwände haben nämlich mit diversen Probleme zu kämpfen:
So wird das projizierte Bild, wenn man den Fokus des Projektors auf die Bildmitte optimiert, zu den Seiten hin unscharf – oder umgekehrt. Zudem wird die Projektion umso größer und lichtschwächer, je weiter man sich von der Bildmitte entfernt – eben weil die Projektionsdistanz naturgemäß, von der Bildmitte ausgehend zu den Seiten hin, zunimmt. Aus der Perspektive des Zuschauers kann dies gar zu einem konkav verzerrten Bildeindruck inkl. Hotspot führen.
Die Krümmung gleicht diese unterschiedlichen Projektionsdistanzen auf der gesamten Leinwand nun mehr aneinander an, was das projizierte Bild insgesamt schärfer und homogener erscheinen lässt.
Bei mittigem Betrachtungswinkel werden die Blickdistanzen zu den Seiten mehr denen zur Mitte angeglichen und das Bild wirkt zudem größer
Zudem sorgt die Konkave Biegung für ein verstärktes „Mittendrin“-Gefühl, da das Bild, verglichen mit einer Planen Leinwand, die Zuschauer mehr zu umhüllen und zudem größer zu sein scheint.
Dies ist allerdings auch der am Wenigsten nutzbringende Effekt, da er sich tatsächlich nur dann einstellt, wenn man mittig vor der Leinwand sitzt – oder eben auch vor dem Fernseher.
Sitzt man seitlich versetzt, so sind die Verzerrungen im Vergleich zu einem planen Bildschirm umso größer und die Blickdistanzen auf verschiedene Bereiche des Bildes umso unterschiedlicher, je näher man am Bild sitzt und je spitzer der Betrachtungswinkel ist, aus dem man auf den Schirm blickt.
Bei seitlicher Betrachtung nehmen die wahrgenommenen Verzerrungen stärker zu als bei einem planen Bildschirm und sind zudem, je nach Bildbereich, unterschiedlich stark ausgeprägt
Hier beißt sich die Katze nun in den Schwanz:
Denn damit das gesamte Technologiepaket Sinn ergibt, MUSS man relativ nah an das Bild heranrücken, bei Full-HD-Displays, gefüttert mit Full-HD-Inhalten, die dreifache Bildhöhe, bei 4k sogar „Bildhöhe x 1,5“ (weil im Vergleich zu Full-HD die doppelte Anzahl vertikaler Informationen/Zeilen vorhanden ist).
Hält man sich hieran, so kann man zwar die volle Auflösung genießen, wird die Nachteile eines gebogenen Displays aber stärker zu spüren bekommen.
Rückt man, um die Vorteile der Biegung genießen zu können, hingegen weiter weg, so wird man nicht in den Genuss der vollen 4k-, wahrscheinlich nicht einmal der vollen Full-HD-Qualität kommen.
Ein flaches Display und ein gebogenes, jeweils aus seitlicher Perspektive – man beachte die stärkeren und durch die Wölbung ungleichmäßigeren Verzerrungen beim Curved-Bildschirm
Zusammenfassend lässt sich also attestieren, dass man sich mit einem konkav gebogenen Fernseher zu Hause den Vorteil eines größeren Bildeindrucks und evtl. geringfügig höherer Immersion mit dem Nachteil eines extrem kleinen Hotspots erkauft, bei dessen Verlassen es zu stärkeren, ungleichmäßigeren Bildverzerrungen als bei planen Displays kommt.
Also, kaufen oder nicht?
Für den Technik- und/oder Spiele-/Kinofreund, der größtenteils alleine schaut, kann ein Curved-TV durchaus Sinn machen.
Und niemand wird bestreiten, dass die Geräte zunächst schon auch irgendwie „cool“ aussehen – auch wenn hier eindeutig eher der Reiz des Neuen, statt rationale Gründe den Eindruck bestimmen dürften.
Letztendlich sollte man sich hüten, dem Glauben aufzusitzen, dass „Curved“ wirklich die nächste Evolutionsstufe nach konvex und plan darstellt – dazu sind die „Betrachtungsregeln“ eines gebogenen Bildes (das keine Projektion ist) und die von Full-HD oder 4k, zusammen mit den Gegebenheiten in den meisten Wohnzimmern, in denen mehrere Leute gleichzeitig aus verschiedenen Perspektiven auf das Bild schauen, zu wenig miteinander vereinbar.
Und eine gerade Linie ist auf einem Curved-Gerät schließlich keine gerade Linie mehr.
Plane Displays stellen daher unterm Strich einfach nach wie vor das Optimum dar und bleiben daher auch in Zukunft das Maß der Dinge.
Wenn man vor hat, ein Curved-Gerät an die Wand zu hängen, offenbaren sich weitere Nachteile: Die Biegung macht hier in den meisten Fällen die gesamte Ästhetik, die ein flaches Modell versprühen würde, wieder zunichte, da das Gerät an den Seiten unschön von der Wand absteht.
Und da auch die Industrie sich all dieser Tatsachen bewusst ist, bereitet sie schon den nächsten Coup vor, der verspricht, das Beste aus beiden Welten in sich zu vereinen:
Auf der diesjährigen CES in Las Vegas haben sowohl LG als auch Samsung funktionierende Prototypen von Geräten vorgestellt, die sich auf Knopfdruck konkav biegen lassen, ansonsten aber plan sind!
Entweder wird dies ab 2015 das nächste große Thema oder der Curved-Hype hat sich bis dahin als reiner, mäßig erfolgreicher Marketinggag entpuppt und schon wieder verflüchtigt.
Samsung stellt den ersten „Bendable TV“ vor (Video auf Englisch)
„Bendable TV“ Hands-On – „curved“ auf Knopfdruck (Video auf Englisch)
All das führt zu der Bilanz, dass Curved aus fachlicher Sicht nicht besser ist als plan, sondern eher ein Gimmick, für das es aber sicherlich den einen oder anderen Interessenten geben wird.
Insider-Analyse
Vorteile:
+ Bild wirkt vom Hotspot aus minimal größer
+ bei mittiger Sitzposition leicht immersiveres Seherlebnis
Nachteile:
– stärkere und ungleichmäßigere Verzerrungen von der Seite
– seltsam anmutende Optik bei Wandmontage